Eugène Ionesco war sehr erstaunt, dass die Zuschauer*innen über sein erstes Stück lachten. Eigentlich hatte er mit Die kahle Sängerin doch eine „Tragödie der Sprache“ schreiben wollen: eine sich hinter leeren Sprachhülsen verschanzende kleinbürgerliche Nachkriegsgesellschaft. Daraus entstand ein Stück ohne Sinn, aber mit Handlung, das in Frankreich zur beliebten Komödie wurde. 

Darin ist das Ehepaar Smith in einer scheinbar banalen Unterhaltung gefangen, redet aneinander vorbei und streitet um Bagatellen bis ein anderes Paar, die Martins, zu Besuch kommt. Es entspinnt sich eine Unterhaltung, die von Amnesie erschwert wird: Unter verlegenem Hüsteln versuchen alle, sich gegenseitig von den „Ereignissen“ des Tages zu erzählen, verlaufen sich im Nebel der Realität auf der Suche nach der Wahrheit, von der niemand weiß, wo sie sich versteckt hält. Mit einem Feuerwehrhauptmann, der in der ganzen Stadt nach Bränden sucht und dem Dienstmädchen der Smiths, Mary, das scheinbar auch Sherlock Holmes ist.  Sie alle versuchen, ihre Vergangenheit und Wunden zu verstecken und verlieren zunehmend die Fassung.

Mit Die kahle Sängerin wird 1950 das „Theater des Absurden“ begründet, das der Sinnfreiheit der Welt und den in ihr orientierungslosen Menschen durch grotesk-komische und irreale Szenen zu begegnen sucht. 

Johan Simons’ Inszenierung untersucht Ionescos Theaterstück vor dem Hintergrund seiner Entstehungszeit – einer  Nachkriegsgesellschaft, die durchdrungen ist von Schuld, Gewissen, Schmerz, Liebe, Wunden, Träumen, Sprachlosigkeit und verdrängten Traumata. 

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  • Ort: Schauspielhaus
  • Dauer: 1:30, keine Pause
  • Premiere: 25.04.2024
  • Sprache: DE EN
Sa.11.05
19:30 — 21:00
Schauspielhaus
Do.30.05
10 €-Tag
19:00 — 20:30
Schauspielhaus
+ Einführung 18:30
Mi.12.06
19:30 — 21:00
Schauspielhaus
+ Einführung 19:00
So.30.06
19:00 — 20:30
Schauspielhaus
Alle Beteiligten
Rollenbesetzung
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Pressestimmen

"Tatsächlich herrscht hier eine emotionale Dringlichkeit, die weit von der bohrenden Kühle entfernt ist, die Ionesco meist vorschreibt. Am Ende steht bei ihm und nun auch bei Simons das große Tohuwabohu, aber was davor passiert, ist viel aufregender. Die Inszenierung passt ins herrliche Bochumer Schauspielhaus, das in seinem Glanz vom Wiederaufbruchswillen der Fünfzigerjahre zeugt und an die Abgründe einer Gesellschaft erinnert, die keine Abgründe wahrhaben will. In den Versuch, das Finstere zu übertünchen, bohrt sich diese Inszenierung hinein."
Süddeutsche Zeitung, Egbert Tholl

"Theaterdonner der zwerchfellerschütterndsten Art."
Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Lars von der Gönna

"Eingerichtet in eine (Zwangs-)Anstalt der Normalität (Bühne Sascha Kühne, Johan Simons selbst) beleuchtet der Regisseur grell die Tiefe der Oberfläche, farbenfroh, springlebendig."
kultur.west, Andreas Wilink

Mehr Pressestimmen

"In Bochum nimmt Regisseur und Intendant Simons das Stück ernst. Das heißt beileibe nicht, dass es nicht lustig wäre. Aber er nimmt die ausgestellte Sinnlosigkeit ernst, die Hilflosigkeit und die phrasenhaften Versuche seiner Figuren, Gemeinschaft herzustellen. Die Zuschauer:innen sehen, wie die Figuren mit sich und den anderen kämpfen, sprachlich und körperlich. Dass Smalltalk nicht funktioniert, verwundert nicht – aber selbst Eheleute können nur noch Sprachhülsen austauschen, die keine echten Inhalte transportieren. Das ist für das Publikum lustig anzusehen und provoziert Lacher. Zurück bleibt aber ein schaler Geschmack, das Lachen bleibt manch einem im Halse stecken. Das durchgängig sehr gute Ensemble des Schauspielhauses Bochum gibt bei der Premiere alles, macht die Qualen der Figuren transparent und nachvollziehbar. Die Situationskomik leidet nicht darunter, sondern bildet einen kräftigen Hintergrund, vor dem sich die tatsächliche 'Tragödie der Sprache' umso deutlicher abhebt."
Coolibri , Petra Zimmermann

"Absurde Erzählung, banale Gedichte, Zungenbrecher, Zeitgeistsprüche und schräge Fabeln sind ein Vergnügen. Die Menschen, die sich zeitweise schütteln vor Entsetzen, finden am Ende erschöpft zueinander – als Chor, das tröstet und vereint. Viel Applaus."
Westfälischer Anzeiger , Achim Lettmann

"Ionesco ging es um die Leere in seinen Figuren, Simons geht es um die Hülle, die diese Leere umgibt. Bei Ionesco ist die Hülle das Produkt dieser Leere. Bei Simons ist sie der einzige Schutz vor ihr."
Frankfurter Allgemeine Zeitung , Hubert Spiegel

"Johan Simons, regieführender Bochumer Intendant, gibt dem Affen ordentlich Zucker, lässt sein Ensemble hemmungslos chargieren, körperlich robust, laut, grimassierend. Aus der 'Tragödie der Sprache' wird ein Gag-Gewitter mit viel Slapstick. Aber wie soll man auch Sätze wie 'Lieber ein Ei brüten als einen Brei hüten' ernsthaft auf die Bühne bringen?"
Ruhr Nachrichten , Tom Thelen

"Das Anti-Stück 'Die kahle Sängerin', in dem Ionesco Gemeinplätze und Plattitüden zu Kunst erhebt, wird von Johan Simons und seinem Ensemble zu einer kraftvollen Groteske mit tieferem Sinn."
theater:pur , Christa Fluck

"Ob man die Welt nun genauso irrsinnig und sinnlos erlebt wie Ionesco oder auch nicht, im Schauspiel Bochum ist jedenfalls ein hinreißender Abend zu sehen."
FeuilletonFrankfurt , Simone Hamm