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→ Deutscher Theaterpreis Der Faust 2023 für Johanna Trudzinski
Wie fühlt es sich an, das Gewicht dieser Welt zu tragen? Eine Gruppe aus Mitgliedern des Bochumer Ensembles sowie gecasteten Performer*innen stellt sich mit ihren Körpern und ihren Gefühlen der Schaulust des Publikums. Sie wollen mehr gesehen werden, mehr sein, mehr zeigen. Manchmal auch am liebsten verschwinden. Wir blicken von 2022 aus auf den Barock und durch ihn hindurch auf die Zukunft.
Politische Umschwünge, andauernde Kriege, ökonomische Krisen, Seuchen, existenzielle Ängste, Endzeitstimmung, Unterwerfung der Natur, Fortschrittsglaube und Fortschrittsfurcht. Klingt das nach 16. und 17. Jahrhundert, auch bekannt als Zeit des Barock, oder nach jetzt? Leben wir nicht gerade in der Verschwendung – von Ressourcen und Konsumgütern – und stehen doch mit der Welt am Abgrund? Die Zeiten berühren sich, stellen einander in Frage, verschmelzen.
Es gab Zeiten, da war ein dicker Körper ein Symbol für Wohlstand, Erfolg und Macht. Es gab Zeiten, in denen Regieren bedeutete, eine Show zu veranstalten. Es gab Zeiten, da gab es den Begriff Depression noch nicht mal, und trotzdem war den Menschen die Welt bereits zu viel. Wird es Zeiten geben, in denen wir die Welt vor uns selbst gerettet haben werden?
Baroque – das ist Lebenslust, Fülle, Verausgabung. Eine Zeit der Paradoxe: Weltsucht und Weltflucht. Glaube und Zweifel. Lust an der Verschwendung und Angst vor der Leere.
Mit dieser Inszenierung kehrt die belgische Ausnahmeregisseurin Lies Pauwels nach ihrem Überraschungserfolg Der Hamiltonkomplex in der Spielzeit 2018/2019 ans Schauspielhaus Bochum zurück. In Anlehnung an eine Epoche, deren Merkmale sie bezeichnend für eine Beschäftigung mit unserer heutigen Zeit findet, tragt die Aufführung den Titel Baroque. Lies Pauwels ist berühmt dafür, wie sie in ihren unvergleichlichen Stücken nicht-professionelle Darsteller* innen und Schauspieler*innen auf der Bühne zusammenbringt. Mit ihrem intensiven – durchaus auch barocken – Bildertheater, ihren selbstverfassten Texten und hochemotionalen Soundtracks aus Pop und Klassik lenkt sie unseren Blick auf eine außergewöhnliche Weise auf aktuelle gesellschaftliche Themen.
Weiterführende Infos:
► Gesucht: Mehr Gewicht – Ein Bericht über das Casting für Baroque
Audio Inhalte
Informationen zum Stück
- Baroque
- von Lies Pauwels
- Konzept, Text, Regie: Lies Pauwels
- Mit: Mourad Baaiz, Kathrin Brüggemann, William Cooper, Eva-Maria Diers, Ann Göbel, Karolin Jörig, Mercy Dorcas Otieno, Jasmin Schafrina, Jing Xiang
- Dauer: 2:00h, keine Pause
- Premiere: 14.05.2022
- Sprache: Deutsch mit englischen Übertiteln
Video Inhalte
Beteiligte
- Konzept, Text, Regie: Lies Pauwels
- Konzept, Text, Regie: Lies Pauwels
- Bühne, Kostüm: Johanna Trudzinski
- Lichtdesign: Wolfgang Macher
- Dramaturgie: Felicitas Arnold, Vasco Boenisch
Bilder
Pressestimmen
"Baroque" ist ein Theaterabend im Zeichen von Diversität und Toleranz, ein Abend gegen die Tyrannei des Body Mass Index: Vier schwergewichtige junge Frauen, Laien, stehen im Schauspielhaus Bochum auf der Bühne und verschwistern sich mit fünf Profis aus dem Ensemble für eine Show, die etwa danach fragt, wie es sich anfühlt, dauernd abschätzige Blicke ertragen zu müssen. Das ist aber "beileibe" nicht alles. Der Abend ist dem Barock gewidmet, einer Epoche, die wir schätzen und lieben. Bach, Händel, Purcell, Vivaldi - ihre oft so triumphale Musik versetzt die Menschen noch Jahrhunderte später in Entzücken. Das Barock hat aber auch eine Gegenseite, die eher vernachlässigt wird, die mit Melancholie zu tun hat und der Mahnung: "Vanitas vanitatum" - alles ist eitel.
Süddeutsche Zeitung, Martin Krumbholz
Pauwels spielt mit der Gleichzeitigkeit aus Text, Bühnenbild, Musik und vor allem Körperlichkeit. Ihr totales Theater greift die barocke Schaulust auf, um den Blick auf den Anderen zu hinterfragen: „Baroque“ feiert ein sinnliches Bühnenfest mit allegorischen Effekten, melancholischen Zwischentönen und der Erkenntnis, dass wir angesichts einer Vergänglichkeit und ungewissen Krisenzeiten keine Zeit dafür verschwenden sollten, abweichende Körper zu diskriminieren.
taz, Benjamin Trilling
Dieser Bilderbogen lässt sich nicht in Thesen fassen. Aber er berauscht, überwältigt, schmeichelt mit sinnlichen Szenen, wie man sie selten erlebt.
Westfälischer Anzeiger, Ralf Stiftel