Text
Iwanow kennt sich selbst nicht mehr. Nach dem Studium war er voller Tatkraft, wollte sich sozial engagieren, für Reformen eintreten, die Rückständigkeit der Provinz bekämpfen. Nun ist alle Energie verpufft, und er weiß nicht, warum und wohin. Vor fünf Jahren hat er Anna geheiratet, eine reiche Jüdin, die aus Liebe zu ihm alles aufgegeben hat, ihren Glauben, ihr Erbe, ihre Beziehung zu den Eltern. Anna ist an Tuberkulose erkrankt, aber Iwanow hat kein Geld für die Kur, ist verschuldet, und es fehlt ihm jegliche Kraft, etwas daran zu ändern. Um sich abzulenken, besucht er seinen alten Freund und Gläubiger Lebedew. Dessen Tochter Sascha ist jung, leidenschaftlich, freidenkend. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Liebe zu Iwanow ihn wieder aufrichten wird. Raus aus der Enge!
Ein Jahr nach Annas Tod soll die Hochzeit stattfinden. Doch Gerüchte machen die Runde. Man glaubt, Iwanow habe seine Frau durch sein rücksichtsloses Verhalten ins Grab gebracht und heirate die reiche Sascha nur, um sein verschuldetes Gut wieder hochzubringen. Iwanow selber findet sich unerträglich, lachhaft. Er will alle Pläne abblasen. Doch als auch dieser Versuch scheitert, bleibt ihm nur noch eine letzte Möglichkeit, um nicht auch noch das Leben Saschas zu zerstören…
Das Leben in seiner ganzen Absurdität
Iwanow ist das erste Stück des weltberühmten Dramatikers Anton Tschechow (1860 – 1904). Es fasziniert mit dem großen Thema, das auch alle seine späteren Werke bestimmt: das Leben der Menschen in seiner ganzen Absurdität, seiner Lächerlichkeit, Traurigkeit und Unwiderstehlichkeit. Der Mann Iwanow wird zum Symbol einer bis heute nachvollziehbaren Unlust, sein Leben in die Hand zu nehmen. Dass er dabei auf sein Umfeld gleichzeitig anziehend, ja erotisierend wirkt, macht Iwanow zu einer der spannendsten Figuren der klassischen Dramenliteratur.
Menschen wie Iwanow lösen keine Fragen, sie brechen unter der Last zusammen
Tschechow selbst überarbeitete sein Stück mehrmals. Schließlich resümierte er über seinen Titel-Antihelden: „Iwanow ist erschöpft, er begreift sich selbst nicht, aber das Leben geht das nichts an. Es stellt ihm seine gesetzmäßigen Forderungen, und ob er will oder nicht, er muss die Fragen lösen.“ Allerdings: „Menschen wie Iwanow lösen keine Fragen, sie brechen unter der Last zusammen.“
Intendant Johan Simons inszeniert dieses große Schauspiel aus Tragödie und Komödie mit Jens Harzer in der Titelrolle. Er wurde vielfach ausgezeichnet, zweimal als Schauspieler des Jahres, und ist seit 2019 in Nachfolge von Bruno Ganz Träger des renommierten Iffland-Rings.
Informationen zum Stück
- Iwanow
- von Anton Tschechow
- Neuübersetzung aus dem Russischen von Angela Schanelec, nach einer Interlinearübersetzung von Elena Sinanina
- Regie: Johan Simons
- Mit: Jele Brückner, Konstantin Bühler, Thomas Dannemann, Gina Haller, Jens Harzer, Martin Horn, Marius Huth, Karin Moog, Veronika Nickl, Bernd Rademacher, Romy Vreden
- Dauer: 3:45, eine Pause
- Premiere: 18.01.2020
- Sprache: DE EN
Video Inhalte
Beteiligte
- Regie: Johan Simons
- Regie: Johan Simons
- Neuübersetzung: Angela Schanelec
- Interlinearübersetzung: Elena Sinanina
- Bühne: Johannes Schütz
- Kostüme: Sofia Dorazio Brockhausen
- Musik: Benjamin van Dijk
- Lichtdesign: Bernd Felder
- Dramaturgie: Angela Obst
- Regieassistenz: Anna Stiepani
- Bühnenbildassistenz: Daniel Gantz
- Kostümassistenz: Carolin Saddey
- Soufflage: Sybille Hadulla-Kleinschmidt
- Inspizienz: Ulrike Schaper
- Nikolaj Aleksejewitsch Iwanow: Jens Harzer
- Anna Petrowna : Jele Brückner
- Matwej Semjonowitsch Schabelskij: Martin Horn
- Pawel Kirillytsch Lebedew : Bernd Rademacher
- Zinaida Sawischna : Veronika Nickl
- Sascha: Gina Haller
- Jewgenij Konstantinowitsch Lwow: Marius Huth
- Marfa Jegorowna Babakina : Karin Moog
- Michail Michailowitsch Borkin: Thomas Dannemann
- Dmitrij Nikititsch Kosych: Konstantin Bühler
- Gawrila: Romy Vreden
Bilder
Pressestimmen
In Bochum kann man endlich wieder den „Iwanow“ sehen. Jene überragende Tschechow-Inszenierung, die im Januar 2020 Premiere hatte und nur wenige Male zu sehen war, bevor die Pandemie zuschlug und unsere Stadttheater in düstere Unorte verwandelte. Jetzt also wieder zu sehen, in Bochum: vier eindrucksvolle Stunden Schauspielertheater, vier Stunden, nach denen man möglicherweise am eigenen Lebensentwurf zweifelt, aber dafür voller Hoffnung für die Zukunft des deutschen Theaters ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Simon Strauß
Und jetzt auf nach Bochum! Denn dieser Abend ist ein Ereignis.
3sat Kulturzeit, Hannah Friedrich
Es ist nicht übertrieben, Johan Simons‘ aktuelle Inszenierung, Iwanow von Anton Tschechow, ein Meisterwerk zu nennen.
Rheinische Post, Max Kühlem
Eine Sternstunde der psychologischen Schauspielkunst.
WDR 5 Scala
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Dorothea Marcus
Dieser Iwanow ist ein großer Wurf.
WAZ
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Jürgen Boebers-Süßmann
Tschechow hat das Stück erst als Komödie angelegt, es später zur Tragödie umgearbeitet - es ist eine echte Meisterleistung, wie das Schauspiel-Team unter der Regie von Johan Simons nun die alte Komik im Schmerz aufspürt.
WDR 3 Mosaik
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Nicole Strecker
Wenn man nur einen Abend hätte, um in diesem Jahr ins Theater zu gehen, dann müsste man nach Bochum fahren. Zum Iwanow, mit Jens Harzer. Denn eine solche Aufführung wird man so schnell nicht wieder sehen. So eine großzügige Inszenierung, so ein poetisches Spiel. Fast vier Stunden lang dauert dieser Theaterabend, aber das Ende kommt trotzdem viel zu früh. Hier will man einmal nicht wahrhaben, dass nun wieder das sogenannte echte Leben beginnen soll, zu schön, zu tief ist gewesen, was eben auf der Bühne zu sehen war. Zu fühlen vor allem auch.
FAZ
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Simon Strauß
Simons Iwanow ist ein souveränes Kunstwerk. Eigenständig. Offenherzig. Ein großer Glücksfall. Und strahlender Siegesbeweis für das poetische Theater. Wenn man nur einen Abend hätte in diesem Jahr: nach Bochum, nach Bochum.
FAZ
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Simon Strauß
Eine Welt ohne Hoffnung, aber voller Sehnsucht zeigt Johan Simons‘ gefühlsstarke Inszenierung, die eine präzise Studie einer Depression ist und die tschechow’sche Zerrissenheit in jeder einzelnen Figur aufspürt.
WDR 3 Mosaik
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Nicole Strecker
Ein großes Ensemblestück für ein großartiges Ensemble. […] Selten hat man Szenen solcher wilden Zärtlichkeit und sehnsuchtsvollen Ruppigkeit gesehen wie zwischen Harzer und Haller.
Theater der Zeit
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Jakob Hayner